Informationen zum Thema Angst

Wir behandeln seit vielen Jahren Angsterkrankungen mit den effektiven Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie unter Integration weiterer Therapietechniken. Aus diesen umfangreichen Erfahrungen bildete sich im Laufe der Jahre eine Spezialisierung heraus, die schließlich in der Einrichtung der Angstambulanz mündete. Das bedeutet, daß umfangreiche Informationen zum Thema Angst zugänglich gemacht werden und wir ein hochspezialisiertes Therapieangebot für Angstpatienten zur Verfügung stellen.

Was ist Angst?

Angst ist mehr als nur ein Gefühl, vielmehr handelt es sich um einen komplexen Erlebniszustand, bei dessen Entstehung drei Ebenen parallel beteiligt sind: körperliche Vorgänge (z.B. Herzrasen), Gedanken (z.B. konkrete Befürchtungen) und Verhalten (z.B. Flucht). Dementsprechend finden sich bei den verschiedenen Angststörungen auf diesen drei Ebenen auch sehr spezifische Inhalte. Angst hat also viele Gesichter.

Prinizipiell jedoch ist Angst ein normales und nützliches Gefühl, das uns vor Gefahren warnt und unseren Organsimus in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt, vergleichbar einer eingebauten Alarmanlage. Diese Alarmfunktion sorgt dafür, daß wir in potentiell gefährlichen Situationen vorsichtig sind oder bei nahender Gefahr reagieren (z.B. vor einem Auto zur Seite springen das auf uns zurast). Angst hilft uns, zu überleben, Angst ist gut.

Nun kann es allerdings passieren, daß unsere Alarmanlage, um bei diesem Bild zu bleiben, zu scharf eingestellt ist, das heißt, es wird immer wieder Fehlalarm ausgelöst, der uns in Angst und Schrecken versetzt, obwohl keine reale Gefahr existiert. Menschen, die unter Agoraphobie leiden, bekommen beispielsweise in Aufzügen intensive Panikattacken. Gemessen an der realen Gefahr, die von Aufzügen ausgeht, eine unangemessene Angst. In solchen Fällen hat die Angst das normale nützliche Ausmaß also deutlich überschritten und ist zum Problem geworden, zur Angststörung bzw. Angsterkrankung, was das gleiche bedeutet.

Wie häufig sind Angststörungen?

Angststörungen sind keine seltene Erkrankung. Repräsentative Studien zur Auftretenshäufigkeit (Prävalenz) finden einen Anteil von ca. 9% in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung Deutschlands. Interessanterweise fand sich dabei einige Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands ein deutlicher Ost-West-Unterschied: die Prävalenz betrug demnach im Osten der Republik 16% während sie im Westen bei 7% lag (Margraf & Poldrack 2000). Dieser Unterschied läßt sich am ehesten mit den tiefgreifenden Umbrüchen in der ehemaligen DDR erklären. Aus der Forschung wissen wir, daß vor allem Unkontrollierbarkeit und Unvorhersehbarkeit wesentlicher Lebensbereiche Angstreaktionen auslösen kann. Vom Ost-West-Unterschied abgesehen konnten weitere Risikogruppen identifiziert werden, die ein erhöhtes Erkrankungsrisiko haben.

So finden sich bei Frauen, bei unter 20- und über 65jährigen sowie bei Menschen, die einen Verlust erlitten haben (Scheidung, Trennung, Todesfall), deutlich erhöhte Raten. Aufschlussreich ist dabei auch der Anteil der Betroffenen, die eine qualifizierte Behandlung erhalten. In der zitierten Studie wurden lediglich 40% von ihnen gezielt wegen Angststörungen behandelt. Wenn behandelt wird, dann v.a. mit Medikamenten (Tranquilizer) oder kurzen ärztlichen Gesprächen (psychosomatische Grundversorgung). Nur jeder 15. Behandelte erhielt überhaupt Psychotherapie, lediglich jeder 100. wurde mit moderner kognitiver Verhaltenstherapie behandelt, der derzeit wirksamsten Therapie gegen Angststörungen. Die Schlußfolgerung, die man daraus ziehen muss, kann nur lauten: Es existiert ein enormer Bedarf an spezialisierten Behandlungsangeboten für Angstpatienten, die sich am neuesten Stand der Wissenschaft orientieren.

Wie entstehen Angststörungen?

An der Entstehung von Angststörungen sind in der Regel mehrere Faktoren beteiligt. Nur in den seltensten Fällen existiert eine einzelne, klar benennbare Ursache wie beispeilsweise bei einer Hundephobie, die durch einen schlimmen Hundebiss in der Kindheit ausgelöst wurde. In diesem Fall spielen Lernmechanismen eine zentrale Rolle. Im Gehirn wurde die Situation (knurrender Hund, der in die Wade beißt) mit den extrem unangenehmen Folgen (Schmerz, Panik, Hilflosigkeit) verknüpft und als schlimme und gefährliche Situation abgespeichert. In der Folge wird unser Gehirn bei Auftauchen eines Hundes Alarm schlagen (Angst, Panik), um uns die Möglichkeit zu geben, der Situation aus dem Weg zu gehen (Flucht, Vermeidung) oder uns der Situation zu stellen (Kampf) – wobei das letztere wohl je nach Größe des Hundes seltener der Fall sein dürfte. Dieser Lernmechanismus wird als Erfahrungslernen (klassische Konditionierung) bezeichnet. Ganz ähnlich verarbeitet unser Gehirn mitunter auch andere unangenehme Erfahrungen, z.B. schlimme Blamagen, Schwächeanfälle, plötzliche Angstattacken oder das Auftreten ängstigender Körpersymptome.

Zeigt das Vermeiden oder Umgehen der Situation den gewünschten Erfolg (Ausbleiben oder Verringern von Angst), so wird das Vermeidungsverhalten dadurch bestärkt, das heißt, in einer ähnlichen Situation wird zukünftig diese Verhaltenstendenz eher zum Einsatz kommen. Hier wirkt das Prinzip Lernen am Erfolg (operante Konditionierung). Dadurch kann es passieren, daß sich das Vermeidungsverhalten immer stärker ausweitet und den Bewegungsspielraum einschränkt.

Neben den beschriebenen Lernprinzipien kann auch die Intensität und Ausrichtung der eigenen Aufmerksamkeit eine Rolle spielen. Wenn sich die Angst zum Beispiel auf bedrohliche Körpersymptome wie Herzrasen bezieht, dann ist es ganz natürlich, daß der Betroffene in sich hinein horcht, sich die Aufmerksamkeit wie ein Suchscheinwerfer auf die Herzgegend und den Herzschlag richtet.

Das kann zu einer Sensibilisierung der Wahrnehmung des eigenen Herzschlages führen, der Betroffene entwickelt eine feinere Antenne dafür. Dadurch werden bereits geringste Beschleunigungen des Herzschlages wahrgenommen, was für Unruhe und Angst sorgt. Angst wiederum beschleunigt den Herzschlag und schon schaukelt sich die Angst zur Panik hoch.

Warum leidet nur etwa jeder 10. unter Angststörungen, wo doch diese Mechanismen prinzipiell bei allen Menschen vorhanden sind? Hier scheint es unterschiedliche Anfälligkeiten (Vulnerabilitäten) zu geben, die z.T. auch genetisch bedingt sind. Dies bedeutet jedoch nicht, daß Angststörungen eine Erbkrankheit sind. Es wird lediglich eine erhöhte Neigung zu Ängsten (Angstsensitivität) vererbt. Damit aus einer solchen Neigung eine Erkrankung wird, müssen in der Regel Belastungen (Stressoren) oder kritische Lebensereignisse hinzukommen. Das können ganz unterschiedliche Ereignisse sein: Verlusterlebnisse wie Trennung, Scheidung oder ein Todesfall, plötzliche Veränderungen der Lebenssituation wie Umzug oder Arbeitslosigkeit, langanhaltender Streß wie die Doppelbelastung alleinerziehender Mütter oder traumatisierende Ereignisse.

In etlichen Fällen verbergen sich hinter einer vordergründigen Angstsymptomatik tieferliegende Konflikte zwischen widerstreitenden Bedürfnissen und Motiven oder ungelöste zwischenmenschliche Probleme. Das lässt sich am ehesten durch eine gründliche psychologische Diagnostik abklären.

Der Übergang von normaler Angst, die der Situation angemessen ist, hin zu quälender krankhafter Angst ist fließend. Entscheidend ist immer die subjektive Belastung, die der Betroffene empfindet. Wird die Angst als unkontrollierbar und quälend erlebt und verursacht sie relevante Beeinträchtigungen, so sollte ein Gang zum Psychotherapeuten oder Facharzt erwogen werden.